Seit ein Artikel der US-amerikanischen Juristin Alexandra Brodsky in der Fachzeitschrift „Columbia Journal of Gender and Law, Vol. 32, No. 2, 2017“ veröffentlicht wurde, in dem sie Stealthing und dessen mögliche juristische Konsequenzen beschreibt, wird darüber in der Öffentlichkeit diskutiert.

Was bedeutet Stealthing?
Der englische Begriff „Stealthing“ leitet sich ab vom Substantiv „stealth“, zu deutsch: „Heimlichkeit“. Beschrieben wird mit Stealthing das Phänomen, dass ein Mann während des Geschlechtsverkehrs das Kondom vom erigierten Penis entfernt, ohne dass der andere Sexualpartner (Frau oder Mann) dies mitbekommt.

„Nicht-einvernehmliche Kondomentfernung während des Geschlechtsverkehrs setzt die Opfer physischen Risiken wie Schwangerschaft und Krankheit aus und wird – Interviews verdeutlichen das – von vielen als eine gravierende Verletzung von Würde und Autonomie erfahren“, heißt der erste Satz zur Zusammenfassung von Brodskys Studie.

Sie hat Stealthing-Opfer befragt und ist der Meinung, dass kein einvernehmlicher Sex vorliege, wenn das Kondom ohne Zustimmung entfernt wird. Daher müsse Stealthing als juristische Straftat behandelt werden.

Die Juristin der Yale Law School habe während ihrer Untersuchung zum Thema bemerkt, dass Männer das Stealthing oft damit begründen, dass es ihr Naturrecht sei, ihr Sperma zu verteilen.

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Ist Stealthing in Deutschland strafbar?
In der Schweiz wurde unlängst ein Franzose, der während des Sex mit einer Schweizerin das Kondom heimlich entfernt hatte, auch in zweiter Instanz schuldig gesprochen: In erster Instanz zu zwölf Monaten Haft wegen Vergewaltigung, in zweiter Instanz zu zwölf Monaten Haft wegen Schändung (diesen Straftatbestand gibt es im deutschen Strafrecht nicht). Der Verurteilte denke darüber nach, bis vor das Schweizer Bundesgericht zu ziehen.

In Deutschland könnte Stealthing strafrechtlich als Vergewaltigung nach Paragraf 177 des Strafgesetzbuchs (§ 177 StGB) eingestuft werden – unter der Annahme, dass das Opfer einer Täuschung unterliegen würde, weil es ungeschütztem Sex nicht zugestimmt hätte.

„Wir haben ja eine ganz neue Rechtslage. Das Gesetz über die Vergewaltigung wurde ja vor einigen Monaten grundlegend geändert (…)“, wird der deutsche Jurist Udo Vetter, Strafverteidiger mit Schwerpunkt Sexualstraftaten, unter deutschlandfunknova.de zitiert. „Dieser Fall von Täuschung ist nach der neuen Rechtslage jetzt vom Strafrecht erfasst.“